„Und Sie, begnadet mit später Geburt, denken vielleicht gerade:
“Wer weiß, wie ich gehandelt hätte?” Aber ich verrate Ihnen was:
Wenn Sie wirklich nicht wissen, wie Sie gehandelt hätten,
dann wissen Sie es schon. Dann hätten Sie so gehandelt wie ich“.
Otto Schiendick, Steward auf der St. Louis
Im Jahr 1939 gehen 937 Juden in Hamburg an Bord der St. Louis. Sie wollen nach Kuba und von dort weiter in die USA oder andere Länder. Doch der kubanische Präsident verbietet die Einreise. Die Menschen dürfen das Schiff nicht verlassen. Die HAPAG in Hamburg protestiert. Immerhin wurden horrende Summen für Landegenehmigungen gezahlt. Die erweisen sich nun als illegal und wertlos. Die St. Louis muss den Hafen verlassen. Kapitän Gustav Schröder kämpft um seine Passagiere. Doch auch Amerika und Kanada verwehren die Einreise. Niemand auf der Welt will die jüdischen Flüchtlinge haben. Die St. Louis wird nach Hamburg zurückbeordert. Erst als Schröder gegen seine Kapitänsehre erwägt, das Schiff vor Sussex auf Grund laufen zu lassen, kommt Hilfe: Einige europäische Länder bieten jeweils einer bestimmten Quote von Juden Zuflucht. Aber Nazi-Deutschland überzieht den Kontinent mit Terror und Krieg. Die Reise der Verlorenen geht weiter.
Die Irrfahrt der St. Louis ist historisch verbürgt. Daniel Kehlmann bringt die Handlung in zeitübergreifender Fiktion auf die Bühne. Die aktuellen Fluchtdramen erwähnt er mit keiner Silbe. Und dennoch hat man als Zuschauer auch diese Bilder permanent vor Augen. Die Figuren treten aus dem Dialog, reflektieren ihren Charakter und verraten ihre Gedanken. Sie spielen mit dem Wissen um ihr Ende. Für die meisten ist es ein schreckliches.
Im November 2018 traf sich der kanadische Premier Justin Trudeau mit einer der Überlebenden der St. Louis. “Die Zeit hat Kanada nicht von seiner Schuld freigesprochen oder das Gewicht der Schande gemindert“, sagte er im Anschluss. Die Entschuldigung seines Landes sei „lange überfällig“.
Daniel Kehlmann hat das Stück als Auftragsarbeit für das Theater in der Josefstadt in Wien geschrieben. Dort wurde es im September 2018 uraufgeführt. Unsere Erstaufführung entstand in Co-Produktion mit dem Altonaer Theater Hamburg und hatte dort am 18. Oktober 2020 Premiere (weitere Vorstellungen bis Beginn Lockdown 01.11.20). Die erste Tournee vom 27.01. – 23.03.2021 konnte aufgrund der Corona Pandemie nicht stattfinden.